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Richtig zuhören - was heißt das?

von Petra Nordhaus

Kennen Sie das? Ihr Partner beschwert sich, dass Sie mal wieder nicht richtig zugehört haben. Ungläubig runzeln Sie die Stirn und verstehen die Welt nicht mehr, dieses Mal hatten Sie doch wirklich Alles gegeben.

Woran liegt es, wenn der Partner fehlendes Zuhören kritisiert?

Ihr Partner hat von Ihnen nicht das bekommen, was er brauchte.

Wer erzählt, der hofft darauf vom Zuhörer etwas Bestimmtes zu bekommen. Was genau das ist, muss dem Erzähler nicht unbedingt bewusst sein.

Beim Zuhören sind die Worte, die jemand sagt, also nur der eine Teil. Mindestens genauso wichtig ist die Absicht, mit der jemand etwas erzählt. Man kann einfach mal etwas loswerden wollen, einen Rat suchen, Zustimmung oder Trost wollen.

Beim Erzähler entsteht der Eindruck der Andere hört richtig zu, wenn sich der Zuhörer auf die Absicht des Erzählers eintunt und dementsprechend reagiert. Denn wer Trost sucht, will keinen Ratschlag hören. Und wer einfach mal was loswerden will, den nervt eine eingehende Analyse seiner Schilderungen. Schauen wir uns das genauer an.

Eine Situation + 4 Sorten von Zuhören

Stellen wir uns Maria und Max vor. Maria hatte am Vormittag eine wichtige Präsentation vor einem Geschäftskunden. Sie erzählt Max davon, wie es gelaufen ist. Besonders beschäftigt Sie, dass die Präsentationstechnik versagte und sie improvisieren musste. Sie kann es immer noch nicht fassen, dass ihr das trotz einer tipptopp Vorbereitung passieren konnte und ist gefrustet. Ihre Erzählabsicht: Sie braucht Trost.

Wie erlebt Maria vor diesem Hintergrund verschiedene Zuhören-Reaktionen?

  1. Das Überzeugen-wollen-Zuhören

Max hört Marias Sorge, der Kunde könnte aufgrund der Technikpanne ihre Professionalität anzweifeln. Er grätscht Maria sofort ins Wort und will ihr diesen Unfug schnell ausreden. Er weiß: Seine Frau gehört zu den Besten in ihrem Fach und tritt immer hoch professionell auf. Maria lässt sein Gegenargument nicht einfach stehen, also legt Max nach. Er hört seiner Frau gar nicht mehr zu, sondern setzt Alles daran sie von seiner Sicht zu überzeugen. Bei Maria entsteht der Eindruck, dass Max ihre Sorgen einfach beiseite wischt. Sie denkt „Er nimmt mich gar nicht ernst!“.

  1. Das Sich-seinen-Teil-denken-Zuhören

Schon nach wenigen Sätzen denkt Max, dass sich seine Frau mal wieder in etwas hineinsteigert. Er kennt ihren perfektionistischen Anspruch. Schließlich hat er selbst schon oft darunter zu leiden gehabt. „Was sie sich bloß so anstellt. Andere wären happy, wenn ihnen eine Präsentation auch nur ansatzweise so gut gelingen würde.“ Weil Max mit dem Denken beschäftigt ist, bekommt er nur noch die Hälfte mit von dem was Maria sagt. Maria spürt, dass ihre Worte zu einem großen Teil im Nichts versickern und fühlt sich abgewiesen. 

  1. Das Analysieren-Lösung-suchen-Zuhören

Max hört sich ruhig die ausführliche Schilderung von Maria an. Dann erfragt er Einzelheiten zur Technikpanne: War es dein Notebook? Wer hat das Notebook aufgebaut? Gab es einen Probelauf? Ist jemand ans Kabel gekommen? War die Batterie in der Fernbedienung vielleicht leer? Er denkt: „Wenn klar ist woran es lag, hilft das Maria.“ Maria fühlt sich aber von seinen Fragen überrollt und mit ihren Gefühlen im Regen stehen gelassen. Sie bekommt den Eindruck, dass sich ihr Mann nicht für sie, sondern nur für die harten Fakten interessiert.

  1. Das Anteil-nehmen-Zuhören

Max merkt Maria an, dass sie nach all der Vorbereitungszeit, die sie in die Präsentation gesteckt hat, total enttäuscht über deren Verlauf ist. Während sie spricht, greift er nach ihrer Hand und streichelt sie. Immer wieder nickt er zwischendurch bestätigend und fühlt mit ihr: „Oh man, das ist aber echt gemein.“ und „Oooh, wie doof ist das denn gelaufen. Das hast du wirklich nicht verdient.“ Maria kann ihren Frust loswerden und mit Max teilen. Das entlastet sie. Am Ende des Gesprächs kann sie fast schon wieder lächeln nach dem Motto „Pleiten, Pech und Pannen gehören zum Leben dazu.“

In unserem Beispiel ist die Ausgangssituation Marias Frust darüber, dass ihr trotz der guten Vorbereitung ein Patzer passierte. Ihre Gesprächsabsicht: Sie brauchte Trost. Deshalb ist das Anteil-nehmen-Zuhören für Sie das „richtige Zuhören“.

Es wären aber auch andere Gesprächsabsichten und damit andere Richtig-Zuhören-Reaktionen denkbar:

  • Maria denkt zwar, dass ihr Auftritt ok war, will aber doch noch von Max ein wenig überzeugt werden.
  • Maria will sich diesen aufregenden Tag einfach mal von der Seele reden, aber kein großes Mitgefühl. Ein-vor-sich-hinsprechen im Beisein von Max reicht ihr.
  • Maria grübelt darüber nach, wie es zu der Technikpanne kommen konnte und will die Situation mit Max analysieren.

Paare, die sich gut kennen und vertraut miteinander sind, erkennen oft die Erzählabsicht des Partners. Aber niemand von uns kann hellsehen. Manchmal braucht es deshalb eine schlichte Nachfrage, um „richtig zuhören“ zu können: „Was brauchst du gerade von mir?“

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Von Petra Nordhaus - Als Beziehungscoach & Paartherapeutin helfe ich Menschen, in Liebesdingen klarer zu sehen