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Abzugeben: „Liebling, du musst...!“ Handlungsfähig bleiben, wenn es emotional für Sie wird!

von Petra Nordhaus

„Ich habe gerade voll das Aha-Erlebnis. Wir sehen ja beide nur uns selbst und gar nicht, was für den Anderen wichtig ist. Jeder will, dass der Andere so ist, wie es für einen selbst gut passt.“ Solche Erkenntnisse sind in meinen Paarberatungen keine Seltenheit. Sie werden von ganz normalen Menschen gemacht. Nicht etwa von Egoistischen. Im Gegenteil, oft sind es Menschen, die sogar viel über sich und die Partnerschaft nachdenken. Das zeigt, sobald unsere Gefühle und Gedanken mit im Spiel und wir mittendrin sind, werden wir für Manches blind.

Der Tunnelblick

Wie drückt sich solch ein eingeschränkter Blick aus? Zum Beispiel durch Aussagen, wie diese:
- „Sie muss öfter mal meine Hand nehmen und Händchen haltend mit mir durch die Stadt schlendern. Ich fühle mich ihr dann nahe.“
- „Ich brauche eine Pause. Du musst mir die Kinder jetzt auf der Stelle abnehmen!“
- „Ich warte darauf, dass er fragt, ob wir uns unterhalten wollen. Sonst reden wir nicht miteinander, für mich ist der Austausch aber wichtig.“

Wer Außen steht, mag es schnell erkennen: Hier guckt jemand nur aus seinem einseitigen Blickwinkel. Wer emotional stark aufgewühlt ist, der merkt aber oft überhaupt nicht, dass er einen Tunnelblick drauf hat. Er ist total mit sich beschäftigt und komplett ausgefüllt mit dem, was er gerade an doofen Gefühlen spürt und loswerden will. Oder aber was ihm an schönen Gefühlen fehlt, die er haben will. So steckt er tief drin in seiner ganz eigenen Denke und sucht dabei nach einer Lösung für seine Misere. Als das Naheliegendste erscheint es vielen dann, dass sich die Umstände, also die Situation, ändern müssen. Die Änderung soll von Außen kommen. In der Regel bedeutet das: der Partner soll sich und damit die Situation verändern. Was aber mit dem Partner los ist, hat man dabei nicht auf dem Schirm.

Selbst dem, bei wem der Partner oft mitgespielt hat, wird mit etwas Abstand klar sein, dass diese Denke ein riskantes Spiel ist: in Bezug auf belastende Momente oder eigene Bedürfnisse und Wünsche setzt man Alles auf eine Karte. Die Karte „Der-Partner-muss-es-richten“. Damit bewegt man sich außerhalb der eigenen Einflusszone und gibt die Dinge komplett aus der Hand. In solcher einer Position ist nur hoffen, bitten, flehen oder fordern möglich. Die Folge: Ergebnis offen.

Die Perspektive wechseln

Wer mehr Einfluss auf das Ergebnis nehmen will, für den zahlt sich ein Perspektivenwechsel aus. Gedanklich einmal aus der Du-musst-für-mich-tun-Haltung zu treten und hinein in die Mein-Einfluss-Haltung zu gehen. Wenn Sie von vornherein nicht nur den Partner am Zug sehen, wird es Ihnen vermutlich recht leicht fallen, einen Zugang zu dieser anderen Haltung zu finden.

Die Eintrittsfragen in die Mein-Einfluss-Haltung sind aber unabhängig von der Startsituation für alle gleich:

Wessen Problem ist das gerade?

Wessen Bedürfnis ist das gerade?

Kurzum, wessen Angelegenheit ist das gerade? Wer hat sich darum zu kümmern?

Bitte bedenken Sie bei der Suche nach einer Antwort, dass man im Erwachsenenalter für seine Befindlichkeit, seine Stimmung und seine Situation eigenverantwortlich, also alleine verantwortlich ist. Die Unterstützung durch einen Partner ist quasi ein Add-on, das die meisten von uns oft geschenkt bekommen, wenn sie eine nahe, verbindliche Beziehung aufgebaut haben und pflegen. Einen Anspruch darauf hat man aber nicht. Und ob bzw. wie eine Unterstützung des Partners aussieht, das entscheidet sich jedes Mal aufs Neue, von Situation zu Situation. Genauer gesagt, der Partner entscheidet darüber.

Ihre Einflusszone: 3 Bereiche

Vielleicht fragen sich allmählich, „Worauf genau kann ich denn nun selbst Einfluss nehmen?“ Ganz einfach. In unserer Einflusszone liegen unsere Gedanken, unsere Gefühle und unser Tun. Mehr nicht.

Klar, beeinflussen wir durch unsere Gedanken, Gefühle und unser Tun auch unseren Partner. Aber wie er auf uns reagiert, ist für uns eine Glückssache. Auch, wenn Sie viele Reaktionen vorhersagen können, haben Sie die Reaktion des Anderen in letzter Konsequenz doch nicht in der Hand.

Denken, fühlen und Tun beeinflussen sich gegenseitig

Schauen wir uns also die drei Bereiche genauer an, über die Sie herrschen können:

Ihre Gedanken:

Was denke ich über die Situation?
Was für eine Überzeugung habe ich, wie die Situation aufgelöst werden „müsste“?
Was denke ich über meine eigenen Handlungsmöglichkeiten?
Wie sehen meine lautlosen Selbstgespräche im Kopf aus?

Ihre Gefühle:

Wie fühle ich mich in dem Moment?
Ist das Gefühl intensiv und heftig: Versinke ich im Gefühl oder bin ich vielleicht sogar leer?
Habe ich überhaupt einen Zugang zu meinen Gefühlen?

Ihr Tun:

Handle ich impulsiv ohne zu überlegen oder habe ich schon nachgedacht?
Lasse ich mich gehen und das Gefühl ungefiltert raus oder filtere ich?

Jeder dieser Bereiche gleicht einer Stellschraube, die Einfluss auf die beiden anderen Bereiche hat. Also, was ich denke beeinflusst mein Gefühl und mein Handeln. Was ich fühle, wirkt sich aufs Denken und aufs Tun aus. Und was ich mache, zieht Gedanken und Gefühle nach sich.

Ein Beispiel

Seit Wochen haben Sie Stress bei der Arbeit, nachts schlafen Sie schlecht und Sie starten gerädert in den Tag. Ausgerechnet in dieser Situation springt Ihr Auto nicht an. Sie kriegen die absolute Krise, feuern eine Salve an Schimpfwörtern ab und schnauzen Ihren Partner an, dass er das gefälligst regeln muss.

Phantasieren wir einmal, wie Ihre Reaktion aus der Du-musst-für-mich-tun-Haltung aussehen könnte.

Die Du-musst-für-mich-tun-Haltung

Das (spontan in Ihnen aufkommende) Denken:

Sie denken, „Das nicht auch noch. Das ist mir zu viel.“
„Diese Baustelle will ich nicht lösen. Da muss er sich drum kümmern. Ich. MUSS. JETZT. Los!“
In Gedanken suchen Sie einen Schuldigen für Ihr Dilemma: „Wieso hat er auch bloß die Werkstatt gewechselt und mein Auto dort zur Inspektion durchchecken lassen.“

Das (spontan ausgelöste) Gefühl:

Sie ärgern sich, dass Sie sich mit einem zusätzlichen Problem rumschlagen müssen.
Sie spüren eine Facette von Angst: Überforderung. Ihre Gefühle überschwemmen Sie.

Das (impulsive, unüberlegte) Tun:

Sie lassen Ihren Frust und Ihre Überforderung ungefiltert raus.
Sie werfen Ihrem Partner vor, dass er das Problem verursacht hat.
Sie fordern vom Partner, dass er Ihr Problem löst.

Wie könnte das Ganze nun aussehen, wenn Sie in solch einer Situation in die Mein-Einfluss-Haltung wechseln?

Die Mein-Einfluss-Haltung

Das (hilfreiche, selbst gesteuerte) Denken:

Sie denken, „Scheiße, aber für sowas gibt es ja nie den richtigen Zeitpunkt.“
Im Kopf sagen Sie sich „Stopp jetzt. Du gehst eh schon auf dem Zahnfleisch. Steigere dich da bloß nicht rein.“
„Komm wieder runter und überleg, wie es weitergehen kann.“
Sie docken an Ihr Wissen darüber an, dass Sie schon allerlei schwierige Situationen gemanagt haben.

Das (vom gesteuerten Denken gebahnte) Gefühl:

Ihr konstruktives Denken beruhigt Ihre aufgepeitschten Gefühle etwas. Es entsteht Platz für Gefühle von Zuversicht.

Das (überlegte, souveränere) Tun:

Sie mosern zwar etwas über die beknackte Situation, wollen sich dann aber gerne mit dem Partner beratschlagen, wie Sie Ihr Problem angehen können.

Der Schritt ins Umsetzen

In der Theorie liest sich die Mein-Einfluss-Haltung auf eine Art recht einfach, oder? Die Umsetzung hat es aber meistens in sich.

Der Knackpunkt: Man muss in dem Moment überhaupt erst einmal schnallen, dass man selbst an der Reihe ist, seine Situation zu verbessern. Wenn es emotional wird, stehen einem da nämlich heftige Gefühle und die Denke, wie man halt immer schon in solchen Momenten gedacht hat, schnell mal im Weg.

Wie zum Beispiel:
Die Enttäuschung: Wenn er es nicht von sich aus tut, dann hat es keinen Wert
Der Trotz: Wenn sie es nicht von sich aus tut, will sie es ja nicht.
Die Empörung: Ich habe ein Recht darauf.
Die Hilflosigkeit und Ohnmacht: Ich habe keine Idee, wie ich es anders machen könnte.

Dann ist es nicht weit bis zum automatisierten, impulsiven Handeln. Über diese Hürde des Merkens und Mitkriegens muss man also drüber kommen. Was man dafür tun kann, darüber schreibe ich in einem meiner nächsten Blogartikel.

Kategorien: 1 + 1 = Beziehungsdünger Stimmig lieben

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Von Petra Nordhaus - Als Beziehungscoach & Paartherapeutin helfe ich Menschen, in Liebesdingen klarer zu sehen