Detailseite

„Bye bye, richtige Antwort – du stehst mir im Weg!“ Was Gespräche über Gefühlsdinge wirklich brauchen.

von Petra Nordhaus

Viele Partner stehen unter Druck, wenn der andere über Gefühlsdinge sprechen will. Sie fragen sich: Was für eine Reaktion erwartet er/sie von mir? Was ist die richtige Antwort? 

Irrweg "richtige Antwort"

Wer so fragt, gerät unter Druck. Man will nichts falsch machen und sucht fieberhaft im Kopf nach der sogenannten richtigen Antwort. Das Blöde daran: Wer in seinem Kopf nach einer passenden Antwort sucht, ist so mit sich beschäftigt, dass er vom Partner nur noch wenig mitkriegt. Logisch, denn die Antennen sind nach innen und nicht nach außen zum Partner gerichtet. Oft wirkt man auf das Gegenüber dadurch desinteressiert. Hinzu kommt, dass man im Kopf nur Kognitives findet. Analysen, Ratschläge und oft auch Lösungen haben dort ihre Heimat. Wer die aber präsentiert, erfährt als Reaktion „Error, das war nicht das, was ich wollte.“

Wieso ist das so?

Bei Gesprächen über Gefühlsdinge geht es um etwas ganz Anderes als Tipps oder Einschätzungen: Der Betroffene sucht emotionalen Beistand. Man will seinen Schmerz, Ärger oder auch Freude beim Partner loswerden und Anteilnahme zu spüren kriegen. Anteilnahme ist aber kein Ergebnis von Wissen. Sie entsteht nicht durch richtige oder falsche Antworten. Anteilnahme braucht Präsenz. Also mit allen Sinnen wach dabei sein, während der Partner erzählt und weint, schimpft oder sich ein Loch in den Bauch freut. 

Ich will Ihnen an einem Beispiel deutlich machen, was ich mit Präsenz meine. Stellen Sie sich vor, Sie würden einen Film anschauen. Das kann man auf verschiedene Weise tun. Sie können gebannt davor sitzen und mit dem Protagonisten fiebern, in seine Haut schlüpfen und die Story erleben. Genauso gut können Sie aber auch nebenbei etwas Anderes machen, z.B. Bügeln, Textnachrichten schreiben, im Internet surfen. So sind Sie quasi nur mit einem halben Auge dabei. Auf welche Weise Sie nun den Film gucken, hat Auswirkungen. Sie kriegen mehr oder weniger von den Spielfilmcharakteren und der Handlung mit, plus Sie sind emotional mehr oder weniger am Geschehen beteiligt.

Innere Beteiligung ist entscheidend 

Für einen Film macht der Grad unserer inneren Beteiligung keinen Unterschied. Sitzt uns aber ein echter Mensch gegenüber, spürt der den Unterschied. Wer voller Aufmerksamkeit dabei ist, der bringt eine andere Haltung zum Ausdruck, als jemand der nur mit halbem Ohr bei der Sache ist. Der eine verströmt aus jeder Pore „Es ist mir wichtig, was dich beschäftigt. Lass mal hören.“ oder auch „Ich bin für dich da.“ Bei dem anderen schwingt etwas mit wie, „Ich habe gerade keinen Nerv dafür mich mit dir zu beschäftigen.“ oder auch „Mir ist gerade eine andere Sache wichtiger als du.“ Überflüssig zu fragen, wem Sie lieber etwas erzählen würden, nicht wahr?! 

Anteilnahme ist Präsenz plus Mitgefühl

Im Gespräch geht also darum, dem Partner die volle Aufmerksamkeit zu schenken. Das heißt, sich zu 100 Prozent darum bemühen, das Erleben des Partners zu erfassen: Die Situation, die ihn beschäftigt und wie es ihm damit geht, also was er dazu denkt und fühlt. 

Dazu müssen Sie genauso wie in anderen Lebenssituationen, in denen Sie etwas begreifen wollen, aufmerksam zuhören und nachfragen, wenn innerlich Fragezeichen aufploppen. 

Anteilnahme erfordert aber noch mehr: Mitgefühl. Also, dass man das Erleben des Anderen – seine Gedanken und Gefühle - an sich ranlässt und mit dem Partner fühlt. Tja, und dieser Punkt hat es in sich: Man muss sich mit den Gefühlen des Partner konfrontieren und das aushalten. Egal ob er sich als kleines Häufchen Elend, wütendes Rumpelstilzchen oder megahappy zeigt. Und genau das schafft nicht jeder mal eben so oder zumindest nicht in jedem Moment. Manch einem bereiten Gefühle per sé Unbehagen, ein anderer hat gerade mit sich selbst genug zu tun.

Sich selbst zurücknehmen und nicht bewerten

Die Gefühlslage des Partners auszuhalten, schließt mit ein erst einmal keine Bewertungen von sich zu geben. Bewertungen lenken einen nur davon ab die Realität des Partners, sprich sein Erleben, wirklich zu erfassen. Eine Bewertung ist schließlich Ausdruck der eigenen Sichtweise einer Situation. Und sie führen dazu, dass der Andere sich unverstanden fühlt. Oder können Sie sich vorstellen, dass jemand der empört von einer Begebenheit mit dem Chef berichtet, zu hören kriegen will „Da hast du dich aber auch ungeschickt verhalten. Klar, dass der so reagiert.“ Nein, natürlich nicht. Man will mit seinem Elend gesehen und am Besten auch noch verstanden werden. Das Mindeste was man sich also wünscht, ist darin bestätigt zu werden, dass einem echt doof mitgespielt wurde. Und auch, wer sich zum Beispiel riesig über ein Lob vom Chef freut, will nicht hören „Das hat der doch nicht ernst gemeint. Das ist pure Berechnung.“

Fazit

Dem Partner emotional beistehen meint also, dass Sie als Zuhörer zu verstehen geben „Ja, das hast du erlebt und es ist gerade echt schlimm, schön, nervig für dich.“ Dazu müssen Sie sich zunächst einmal anstrengen das Erleben des Partners zu erfassen und ohne Wenn und Aber akzeptieren, dass es für den Anderen so ist wie es ist.

Das Sahnehäubchen für den betroffenen Partner wäre natürlich, wenn Sie die Gefühle Ihres Partners auch noch nachvollziehen könnten, im Sinne von innerlich verstehen. Aber Menschen ticken so verschieden, dass einem das trotz bestem Bemühen nicht immer gelingt.

Was, wenn Sie all das schon tun und Ihr Partner trotzdem mit Ihnen als Gesprächspartner unzufrieden ist? Reagieren Sie anteilnehmend, indem Sie auf den Unmut eingehen. Fragen Sie konkret nach: „Was brauchst du gerade Anderes von mir?“

Zurück

Von Petra Nordhaus - Als Beziehungscoach & Paartherapeutin helfe ich Menschen, in Liebesdingen klarer zu sehen