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„Ist die Liebe futsch, muss ich ausziehen. Dann merke ich, ob ich den anderen vermisse!“ - Ist das tatsächlich so?

In dieser Reihe greife ich aus meiner Sicht zu kurz gefasste Überzeugungen auf, die ich in der Beratung immer wieder höre, und stelle sie in Frage. Überzeugungen durchzudenken verringert Denkfehler, die zu schlechten Entscheidungen führen.

Viele Menschen denken, dass ein Auszug bei Partnerschaftsproblemen hilft. Die Annahme: Man merkt dann, ob man den anderen vermisst oder nicht.

Wieso sollte man aber nach einem Auszug in der Krise als Allererstes den Partner vermissen? Als Elternteil vermisst man seine Kinder sicher oder auch Teile des Familienlebens. Aber ansonsten ist es näherliegender, dass man erst einmal Erleichterung verspürt und froh ist über den Abstand. Man kann jetzt durchatmen und ist das los, was vorher durch die Anwesenheit des Partners so nervig und belastend war. Zum Beispiel ständige Streitereien und Vorwürfe oder eisiges Schweigen und Ignoranz. 

Wahrscheinlicher ist es in solch einer Situation, dass man zunächst – wenn man überhaupt etwas vermissen sollte - den Komfort und gemeinsame Gewohnheiten vermisst, die man zurücklässt. Die schön eingerichtete Wohnung oder das Eigenheim. Bestimmte elektronische Geräte (etwa den Kaffeevollautomaten oder die Waschmaschine). Die Umgebung und die Nachbarn oder auch gemeinsame Abläufe und Rituale, die man jahrelang gehabt hat.

Wer so denkt, hält das Vermissen für DEN ausschlaggebenden Parameter bei der Frage nach der Antwort, „Wie wichtig ist mir die Beziehung/der Partner noch? Was ist da noch an Gefühlen?“ und lässt dabei die Begleitumstände außer Acht. Beispielsweise, dass man die Beziehung hat schleifen lassen und sich deshalb auf einer Großbaustelle befindet, die sich niemand gezielt aussuchen würde. Oder aber, dass es persönliche Schwächen sind, weshalb man ständig mit dem Partner aneinander rasselt.

Was steckt wirklich dahinter?

Spontan fallen mir gleich vier unterschiedliche Motive ein, warum ein Auszug verlockend sein kann:

  1. Vermeidung

Man scheut die Konfrontation mit dem Partner und stellt sich einer Auseinandersetzung nicht. Eigentlich ist dieses Verhalten nicht neu für einen. Man hat sich auch in der Vergangenheit rausgezogen, wenn es schwierig wurde. Im Grunde ist man ein Harmonizer und umschifft Konflikte wo es nur geht. Womöglich will man jetzt auch dem Anblick seines zornigen, enttäuschten oder leidenden Partners aus dem Weg gehen. Bei einer räumlichen Trennung lässt sich die aktuell belastende Situation leichter ausblenden.

  1. Wieder zu Kräften kommen

Man kommt vor lauter Anspannung zwischen sich und dem Partner nicht mehr zum Luft holen, kriegt nachts kein Auge zu und geht auf dem Zahnfleisch. Eine zeitlich begrenzte Auszeit wird als Möglichkeit gesehen, um die Kraftreserven aufzutanken, mal wieder durchzuschlafen und sich frei von der Angst vor einer nächsten, wie aus dem Nichts kommenden Diskussion bewegen zu können.

  1. Feststecken und Bewegung reinbringen wollen

Man merkt, dass man zu zweit in einer krassen Abwärtsspirale kreiselt. Es scheint, als habe man es zur Gewohnheit werden lassen, dass die kleinste Bewegung oder ein Wort zu einem Vorwurfs-Rechtfertigungs-Pingpong, einem Rechthaber-Streit oder kaltem Schweigen ausartet. Beide Partner sind ratlos, wie sie aus diesem Muster wieder rauskommen können. Eine Unterbrechung dieses Musters durch räumlichen Abstand, soll hier den Automatismus lahm legen. Insbesondere will man die Zeit nutzen, um über Gründe für das grobe oder distanzierte Miteinander und neue Handlungsweisen nachzudenken. Man erhofft sich durch gelegentliche, gewollte Dates wieder anders in Kontakt zu kommen.

  1. Alleine sein auf Probe

Eigentlich hat man sich bereits zu einer Trennung entschieden, will das Szenario aber erst einmal in abgespeckter Version ausprobieren und sich den Weg zurück offen halten. Oder man hofft auf eine geschmeidige Trennung, indem man stufenweise vorgeht. So will man den Partner - aber wahrscheinlich besonders auch sich selbst - schonen.

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Von Petra Nordhaus - Als Beziehungscoach & Paartherapeutin helfe ich Menschen, in Liebesdingen klarer zu sehen