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Kontakttypen in der Krise: Igel oder Spinne?

Menschen gehen mit extremen Belastungen verschieden um. Wenn Sie sich das in der Krise immer mal wieder bewusst machen, dann tun Sie sich und Ihrer Partnerschaft einen richtig großen Gefallen.

 

Denn möglicherweise haben Sie und Ihr Partner komplett unterschiedliche Strategien, eine Krise zu händeln. Daran ist nichts verkehrt – jeder ist so, wie er ist. Es kann Ihre Partnerschaft aber ungemein entlasten, wenn Sie durchblicken, wie Sie beide in einer Ausnahmesituation ticken. Das nimmt Zündstoff raus, den man schon in normalen Zeiten nicht brauchen kann.

 

Vor allem aber sorgt es für Verständnis! Sobald Sie das Verhalten des anderen als Persönlichkeitszug einzuordnen wissen, nehmen Sie es nicht mehr so schnell persönlich und können besonnener reagieren.

 

Zwei Reaktionstypen: Igel und Spinne

 

Im Kern geht eine Ausnahmesituation mit einem Übermaß an bedrohlichen Reizen einher und führt dadurch zu einer Überlastung des eigenen Systems. Damit es jetzt nicht zu Kurzschlüssen kommt, ist in jedem von uns eine Art innere Sicherung eingebaut. Die kann aber von Mensch zu Mensch unterschiedlich funktionieren.

 

Zwei große Absicherungs- oder anders gesagt Bewältigungsstrategien sind die folgenden:

 

Der Igeltyp – er macht die Schotten dicht und taucht am liebsten ab

 

Menschen, die igelartig auf Krisen reagieren, reagieren mit einem Shutdown. Sie lassen ihre innere Zugbrücke runter und schotten sich gegenüber weiteren Reizen von außen meist radikal ab. Sie haben genug damit zu tun, die Reize für sich zu verarbeiten. Dafür brauchen sie jetzt all ihre Kraft.

 

Der Igeltyp macht die Belastung also mit sich selbst ab.  Für den Partner hat das zur Folge, dass er außen vor ist. Dass der andere sich dadurch höchstwahrscheinlich alleine gelassen fühlt – es sei denn er tickt genauso –, ist dem Igeltypen nun entweder nicht im Kopf oder er hat von seinem Wesen her zumindest erst einmal keine Kapazität frei, um sich diesem Umstand zu stellen.

 

Der Igeltyp kämpft darum, zumindest in seiner inneren Burg die Kontrolle zu behalten. Alles, was jetzt auch noch von außen kommt, überfordert ihn zunächst einmal. Zum einen, weil es sich zu einem großen Teil seiner Kontrolle entzieht. Zum anderen, weil er Kräfte mobilisieren muss, um sich dazu zu verhalten – wieder mit unbekanntem Ausgang. Zusätzlich lauert die Gefahr, dass der andere einem noch von der eh schon begrenzt vorhandenen eigenen Energie etwas abzwacken könnte. Die Situation „einfach bloß“ auszuhalten und auszusitzen, erscheint da ökonomischer und berechenbarer.

 

Hat ein Igeltyp einen Partner, der in solch einer Situation die Nähe sucht (und ist er sich über seinen Bewältigungstypus nicht im Klaren), wird er ihn deshalb höchstwahrscheinlich recht uncharmant abweisen. Ignoranz, kurz angebunden sein oder auch ein unerwartetes Aus-der-Haut-fahren sind mögliche Überreaktionen, wenn einem Igeltypen zusätzliche Anforderungen durch den Partner zu viel werden.

 

Der Spinnentyp – er sucht die Nähe und Halt beim Partner

 

Ganz anders ist es für Menschen, die spinnengleich auf Krisen reagieren. Sie brauchen in solchen Situationen den Kontakt zu anderen Menschen. Sie beruhigen ihren Reizüberflutungsaufruhr nämlich über diesen Kontakt – insbesondere über körperliche Nähe.

 

Der Spinnentyp erlebt den Kontakt zum Partner als Halt und Geborgenheit gebend. In der Krise tut es ihm gut, sich buchstäblich am Partner festzuhalten. Aber auch das Miteinander und Geselligkeit geben ihm Sicherheit. Die Verlässlichkeit, dass bestimmte Dinge Bestand haben, ist jetzt für ihn wichtig. Das gibt im Ausnahmezustand ein bisschen Normalität und schafft dadurch Sicherheit. Darüber hinaus dient das Miteinander der Ablenkung und wer sich trotz Chaos schöne Momente schafft, der zieht daraus Kraft.

 

Während der Igeltyp seine Ruhe haben will, stützt sich der Bewältigungsansatz des Spinnentyps also auf den Kontakt zum Partner. Deshalb ist es für ihn besonders furchtbar, wenn er jetzt vom anderen abgewiesen wird. Nicht nur, dass er sich alleine gelassen fühlt, was an sich kein schönes Gefühl ist, viel entscheidender noch ist, dass er dadurch in der Krise ohne seine Haupt-Bewältigungsstrategie dasteht. 

 

Es ist nichts Persönliches, wenn Ihr Partner anders tickt!

 

Diese Darstellung von Bewältigungsstrategien im Umgang mit Krisen ist natürlich stark verkürzt. Der Mensch an sich ist ja megakomplex. Deshalb geht es auch nicht darum, sich oder den Partner nun starr in der Reinkultur eines Igel- oder Spinnentyps wiederzufinden.

 

Vielmehr ist die Idee dahinter, Ihnen durch das Aufzeigen von zugespitzten Kategorien dabei zu helfen, sich zu orientieren. Etwas vereinfacht darzustellen, macht es einem leichter, die Kernpunkte zu vermitteln. Und genau darum geht es mir. Wenn Sie und Ihr Partner ähnlich ticken, können Sie sich sowieso gegenseitig automatisch viel leichter unterstützen – indem Sie sich in Ruhe lassen oder eben Nähe jetzt zusammen besonders ausleben.

 

Für diejenigen Paare, die ein Mix aus Igel- und Spinnentyp sind, ist der Dreh- und Angelpunkt aber bei alledem der:

 

Werden Sie sich darüber bewusst, dass das Verhalten Ihres Partners im Umgang mit der Krise höchstwahrscheinlich mehr mit ihm und weniger mit Ihnen zu tun hat.

 

Ich weiß, das macht es für Sie nicht weniger anstrengend oder weniger schmerzhaft, wenn Ihr Partner nicht auf Ihre Bedürfnisse eingeht. Es zieht einem aber erst einmal den fiesen Stachel, dass der Partner einen gezielt verletzen will oder einem absichtlich etwas antut.

 

Wahrscheinlich ändert das Wissen darüber zunächst nichts daran, dass Sie das Verhalten im ersten Moment weiterhin persönlich nehmen.

 

Es bietet aber die Chance, sich ein ums andere Mal in Erinnerung zu rufen, „Ja, so tickt er leider in der Krise.“.

 

Dadurch können Sie sich von dem Schmerz, den das bei Ihnen auslöst, oder dem inneren Genervt-Sein emotional wieder besser distanzieren. Allerdings will ich Ihnen nicht verschweigen: Das ist mitunter harte, wirklich schwere Beziehungsarbeit.

 

Doch es hilft. Denn, wie in anderen Lebensbereichen auch, ist es schließlich so: Wenn wir die Realität erfassen und akzeptieren, tun sich neue Möglichkeiten im Umgang damit auf. Die Voraussetzungen sind da, um eine eigene Position zu finden. Meistens werden wir dem anderen gegenüber dann auch großzügiger und wollen unnötige Streitereien und Missverständnisse vermeiden. Es kommt der Wunsch auf, etwas dazu beizutragen, dass man sich in der Zeit der Belastung gegenseitig besser gerecht wird.

 

Wenn Sie als Paar durch die Krise kommen wollen, dann kooperieren Sie!

 

Tappen Sie jetzt bitte nicht in die Falle, darüber zu streiten, wer von Ihnen die bessere/richtige bzw. schlechtere/falsche Bewältigungsstrategie drauf hat. Besser oder schlechter ist in der gemeinsamen Bewältigung nämlich keine hilfreiche Kategorie.

 

Jetzt geht es um die Frage der gegenseitigen Kooperationsbereitschaft.

 

Das bedeutet anzuerkennen, wie Sie beide individuell in Zeiten von Überlastung ticken. Und das tut mitunter verdammt weh. Denn man muss sich gleichzeitig eingestehen, dass der Partner einem womöglich Dinge nicht geben wird, besser gesagt geben kann, die man gerade jetzt dringend bräuchte. Und natürlich auch umgekehrt. Blöderweise ist das ja eine Art Naturgesetz, mit dem man in jeder Partnerschaft von Zeit zu Zeit immer mal zu tun hat. Allerdings findet man das in sogenannten guten Zeiten schon nicht schön und wehrt sich häufig dagegen - obwohl das gar keinen Sinn macht. In Krisenzeiten ist es noch mal doppelt hart.

 

Die große Chance, die der schonungslos realistische Blick auf Sie beide aber bietet, ist der, dass Sie dann gemeinsam das Beste daraus machen können. Und sich gegenseitig nicht noch mehr - als sowieso schon unvermeidbar - zusätzlich stressen.

 

Anstatt, um etwas zu kämpfen, dass Sie gerade vom anderen nicht bekommen, und dabei immer unglücklicher und deshalb unfairer zu werden, haben Sie dann die Möglichkeit sich miteinander abzusprechen. So können Sie Ihre Reibungspunkte zusammen verhandeln. Kooperativ sein lohnt sich! Denn sicherlich wollen Sie doch auch als Paar bestmöglich durch die Krise kommen – und dazu können Sie Ihre jeweiligen Charaktere eben nicht außer Acht lassen. 

 

Sprechen Sie also darüber,

  • wie es Ihnen mit der Krise geht und was Ihnen gerade besonders schwerfällt.
  • was Ihnen dabei hilft, die Überlastung auszuhalten.
  • was GENAU für ein Verhalten Sie sich jetzt vom Partner wünschen.
  • inwiefern GENAU Sie vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Befindlichkeit auf die Wünsche des Partners eingehen können, aber auch an welchen Stellen eben nicht.

 

Das muss kein lang ausschweifendes Gespräch werden, sondern kann im Stil einer Lagebesprechung passieren - die Sie zeitlich begrenzen.

 

Treffen Sie auf der Grundlage dieses Austausches möglichst konkrete Absprachen für den Umgang miteinander! Absprachen, die extra für die besondere Zeit der Krise Gültigkeit haben. Achten Sie bitte darauf, dass es ausschließlich echte Absprachen sind. Das sind solche, die Sie sich beide umzusetzen zutrauen. Denken Sie darum immer daran, dass Igel und Spinne unterschiedlich sind. Übergangsregeln bringen dann ein wenig Ruhe rein: nicht, weil sie alle persönlichen Bedürfnisse erfüllen, sondern weil man weiß, womit man rechnen kann.

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Von Petra Nordhaus - Als Beziehungscoach & Paartherapeutin helfe ich Menschen, in Liebesdingen klarer zu sehen