Sich in der Krise austauschen – was Sie bedenken sollten
Kein Mensch sucht sich freiwillig eine Krise aus. Trotzdem schützt einen das nicht davor, mittendrin zu landen und von jetzt auf gleich von furchtbaren Gefühlen überwältigt zu werden. Auf einmal hat man damit zu kämpfen, dass es ist, als würde einem der Boden unter den Füssen weggerissen werden oder als drohe alles über einem zusammenzubrechen.
Krisen haben etwas Beherrschendes an sich.
Aber wer einer Krise ungebremst Raum gibt, der tut sich keinen Gefallen.
Wahllos mit dem Partner und anderen über die Katastrophe reden, ungefiltert im Netz dazu surfen und impulsiv nonstop bei „Mister Google“ nach Antworten suchen, zählt dazu. Wenn es besonders dumm läuft, dann schadet man sich mit solch einem Austauschdrang sogar.
Eines ist klar: Wenn Sie ohne nachzudenken all das, was Ihnen in der Krise durch den Kopf prescht, verfolgen und vertiefen, saugt es Sie wie ein Staubsauger in die negativen Energien des Ausnahmezustands gnadenlos ein.
Überlegen Sie sich deshalb sehr genau, mit wem und wie Sie über die Katastrophe sprechen wollen. Und „mit wem“ meine ich nicht nur Ihren Partner und andere Menschen, sondern auch Ihre Selbstgespräche und Ihren Dialog mit sogenannten Fachleuten, die Sie im Internet, in Zeitschriften, in Büchern oder im persönlichen Gespräch hören und lesen.
Ein Ausnahmezustand erzeugt Überlebensängste – jetzt droht eine vertrackte Kettenreaktion
Ein Ausnahmezustand ist davon bestimmt, dass das bisherige Fundament ins Wanken gerät: Das Bekannte wurde aus den Angeln gehoben. Was bis jetzt an Regeln galt, ist nun mindestens in Frage gestellt, wenn nicht gar außer Kraft gesetzt. Das verunsichert gehörig und je nachdem, wie bedrohlich Sie Ihre Situation nun erleben, wird Ihre emotionale Reaktion darauf ausfallen.
Nicht selten rutschen Menschen zunächst einmal in einen maximalen Stressmodus von existentieller Bedrohung und Überlebensangst. Klar, dass das alles Andere in den Hintergrund drängt.
Das Blöde ist, dass Überlebensängste uns oftmals den Verstand ausknipsen. Sie durchtränken uns geradezu, saugen sich in jede noch so kleine Faser unseres Seins. Wir sind dann richtig tief in uns drin und verschwinden in diesem Erleben von
„Wie soll ich das bloß überstehen?!
„Wie soll es je wieder gut werden?!“
„Warum hat man gerade mir das angetan?!“
In solch einer Stimmung lässt man sich schnell mal dazu verleiten, Dinge zu tun, die nicht weiterhelfen oder schlimmer noch, Schaden anrichten. Um die Angst und den Ärger oder Frust loszuwerden, spricht man vollkommen beliebig und unüberlegt über die Katastrophe. Wer das tut, verliert sich in Details und löst Kettenreaktionen an Fragen aus – jetzt kommt die Gedankenmühle in Gang, und die wird immer negativer.
Man tut das ganz einfach deshalb, weil es nicht zum Aushalten ist. Weil man einfach irgendwo hin muss mit seinem inneren Druck. Aber all das Sprechen führt oftmals dazu, dass man sich in seinen Emotionen verliert und unzählige Meinungen und Ratschläge zu hören bekommt. Und weil ein Krisenthema häufig auch beim Gesprächspartner unbehagliche Emotionen auslöst, schlagen einem dementsprechende Reaktionen und Stimmungen entgegen.
Deshalb bleibt man dann trotz Gespräch auf seinem Druck sitzen oder man macht sich noch mehr verrückt als vorher.
Sie brauchen jetzt Sicherheit und Ruhe
Ein Ausnahmezustand ist von Aufregung, Anspannung und Angst bestimmt. Das ist seine Natur und lässt sich deshalb auch nicht wegmachen.
Logischerweise sehnt man sich gerade jetzt aber mehr denn je nach den Gegenspielern: Nach Sicherheit und danach, innerlich zur Ruhe zu kommen. Dafür können – und müssen – Sie selbst sorgen.
Ein Ausnahmezustand ist wie ein holpriger Weg und keine gut begehbare, asphaltierte Straße. Das lässt sich nicht ändern, ja. Aber ein Geländer, das einem entlang dem beschwerlichen Weg ein wenig Halt und Absicherung gibt, das kann man sich bauen. Noch dazu können Sie sich Wegbegleiter suchen und dadurch zusätzlich Beistand, Solidarität, Loyalität und Hilfestellungen erleben. – Das tut jedem gut!
Sicherheit entsteht also durch Halt und Orientierung. Innere Ruhe, indem man die emotionale Last ein wenig teilen kann, Mitgefühl und Solidarität erfährt.
Machen Sie sich deshalb auch im Austausch mit anderen diese Punkte zum Maßstab:
- Gibt mir das Gespräch Halt oder zumindest eine Orientierung?
- Ist der andere bereit und fähig dazu, etwas von meiner emotionalen Last mitzutragen und/oder kann ich mir von ihm nützliche Impulse erwarten?
Das klingt jetzt vielleicht egoistisch, ich weiß. Doch es ist wichtig, zu erkennen, welche Gespräche was mit Ihnen machen. Besonders dann, wenn die Krise nicht nur Sie betrifft, sondern auch Menschen in Ihrem Umfeld. Es gibt immer welche, die zuversichtlich sind. Dann die, die Panik verspüren und verbreiten. So wie jene, die sich komplett abschotten wollen. Und es gibt die „Stammtischbrüder“ (und „-schwestern“), die Gerüchte lieben und schüren. Wichtig ist, zunächst einfach mal zu sortieren: Wer löst jetzt was in mir aus? Wie geht es mir mit dem anderen?
Wenn Sie das wissen, können Sie handeln: Indem Sie mit demjenigen darüber sprechen, wie Sie miteinander – und über die Krise – reden und was Sie tun können, um Sicherheit und Ruhe reinzubringen, auch wenn Sie über Sorgen und Ängste reden. Oder sich einfach selbst mal stärker abgrenzen beziehungsweise rarer machen, wenn Sie merken: Es tut Ihnen jemand jetzt ganz und gar nicht gut.
Geben Sie sich Halt durch gezielten Austausch!
Bauen Sie sich für den Weg durch die Katastrophe Ihr persönliches Geländer, indem Sie Ihren Austausch nach durchdachten und sinnvollen Spielregeln gestalten.
Verpflichten Sie sich selbst gegenüber dazu, Ihr Verhalten konsequent nach diesen Spielregeln auszurichten - anstatt bloß der Spielball Ihrer Gedanken und Gefühle zu sein und in Gesprächen zu landen, an denen Sie hinterher zusätzlich zu knabbern haben.
- a) Austausch mit Ihrem Partner bzw. anderen
Jedes Gespräch wird wesentlich davon geprägt, mit was für einer Absicht Sie ins Gespräch gehen. Oft starten Menschen allerdings ein Gespräch einfach bloß aus einem Impuls heraus. Gedankenlos. Sie sind sich ihrer Absicht also gar nicht bewusst.
Gerade die Absicht entscheidet jedoch darüber, ob ein Gespräch konstruktiv oder destruktiv verläuft. Es macht einen großen Unterschied, ob Sie von Ihrem Gesprächspartner beruhigt werden möchten oder ob Sie dessen Position wissen wollen. Ob Sie etwas aussprechen müssen, damit es für Sie realer wird und Sie Ihre Lage besser begreifen können oder ob Sie vom anderen eine Lösung beziehungsweise einen Rat wollen. Denn je nachdem, welches Bedürfnis Sie haben, stellt das ja ganz unterschiedliche Anforderungen an Ihr Gegenüber!
Dabei hat einen großen Einfluss, wie der andere mit dem Thema umgeht. Macht Ihrem Partner beispielsweise das Krisenthema selbst zu schaffen und steht er noch dazu an einem ganz anderen Punkt als Sie, hat er höchstwahrscheinlich wenig Kapazitäten, um sich auf Sie einzustellen und auf Sie einzugehen. Sie verhaken sich dann im Gespräch schnell miteinander. Hingegen kann eine Freundin, die gerade Ähnliches durchmacht oder durchgemacht hat wie Sie, sich wahrscheinlich leicht in Sie hineinversetzen und mit Ihnen fühlen.
Bei der Wahl Ihres Gesprächspartners ist es also wichtig sich zu fragen: „Wo steht der andere gerade selbst in Bezug auf das Thema? Ist er meinem Anliegen gegenüber offen?“
Entscheidend für eine Entlastung ist also Ihr Bedürfnis und ob der andere dafür gerade tatsächlich ein passender Adressat ist. Passend in dem Sinne, als dass er auf Ihr Bedürfnis eingehen kann und Sie bei ihm etwas emotionale Last abladen können oder nützlichen Input kriegen.
Darum:
Suchen Sie sich bewusst Ihre Gesprächspartner aus und fragen Sie sich vorab:
- In Bezug auf sich selbst: Bin ich selbst wirklich offen für ein Gespräch? Bringen mich meine Offenheit oder eine Frage weiter? Was ist meine Absicht dahinter?
- In Bezug auf den anderen: Ist er/sie dafür momentan wirklich die passende Adresse? Kann er/sie mein Thema aushalten und mich emotional auffangen? Will ich wirklich seine/ ihre Reaktion, Meinung oder Antworten? Kann ich das aushalten?
- b) Austausch mit externen Informationsquellen
Sachliche Informationen können in einer Ausnahmesituation helfen, wenn sie von einem echten Experten kommen. Ein echter Experte ist jemand dann, wenn er sich richtig gut mit Ihrem Krisenthema auskennt. Das heißt, er hat eine Grundausbildung, die ihn zum Fachmenschen macht und er hat sich mit dem Thema bereits intensiv beschäftigt. Dadurch weiß er um die Symptome und Gesetzmäßigkeiten dieses Ausnahmezustands. Ihm ist bekannt, was in solch einer Krise für Fallen lauern, was weiterhelfen kann und was man unterlassen sollte.
Bedenken Sie dabei aber auch, dass es einen Unterschied macht, ob man sich eine Expertenmeinung anliest oder individuell beraten wird. Texte, die für die Masse geschrieben sind, bleiben immer ein Stück weit allgemein und können natürlich nicht auf Ihre ganz individuelle Situation eingehen.
Dosieren Sie den Input! Gerade bei gesellschaftlichen Krisen spielen die Medien eine große Rolle: Wir werden dann Tag und Nacht „informiert“. Häufig versucht die Presse unsere Aufmerksamkeit mit reißerischen Überschriften zu erheischen. Und es tauchen auf einmal sogenannte Fachleute auf, die ihre Gesichter in die Kameras halten, bei genauerem Hinschauen aber gar nicht über die entsprechende Expertise verfügen. Das sind dann Mitteilungen ohne Mehrwert. Wir müssen deshalb gut filtern. Wie stark, das ist von Person zu Person unterschiedlich. Manche Menschen können solche Informationen recht gut wieder abschütteln, anderen gehen sie schnell an die Nieren.
Darum:
- Wenn Sie in Ihrer Krise nach Unterstützung durch einen Fachmenschen suchen, dann prüfen Sie als Erstes seine Expertise: Was macht den Betreffenden zum Experten? Hat er eine entsprechende Grundausbildung? Ist er auf das Thema spezialisiert und verfügt über Erfahrung? Haben Sie den Eindruck, dass es Hand und Fuß hat, was er vertritt? Erscheint es Ihnen nachvollziehbar? Und nicht zuletzt, passt es menschlich für Sie?
- Entscheiden Sie sich für wenige seriöse Quellen. Lassen Sie sich gezielt informieren und beraten. So drosseln Sie den Input. Zu viel Input kann einen nämlich überfordern. Man weiß mitunter gar nicht mehr, was wirklich wichtig ist. Womöglich widersprechen sich Aussagen dann auch und verunsichern Sie schließlich doch wieder mehr, als dass sie Ihnen Halt geben.
- c) Austausch mit sich selbst
In der Krise mitkriegen, was einen wirklich beschäftigt, ängstigt, sorgt oder ärgert, ist wichtig, um bestmöglich für sich sorgen zu können. Nur wenn ich merke, wie es mir geht, kann ich mich fragen, was ich jetzt brauche und mir so selbst beistehen.
In einer Ausnahmesituation drängen sich einem allerdings viele unterschiedliche Gedanken, Gefühle oder Bilder ungefragt auf. Oftmals ist das ein ganzer Schwall, der da über einen kommt. Hilfreiches und genauso Unnützes – bunt gemischt. Deshalb ist es wichtig, dass Sie beides voneinander unterscheiden können. Wahrscheinlich haben Sie es auch schon erlebt, dass dooferweise gerade unnütze Gedanken oft eine magnetische Anziehungskraft haben. Folgt man ihnen aber, führt das zu nichts Gutem. Es zieht einen nur runter. Disziplinieren Sie sich deshalb und konzentrieren Sie sich auf die Impulse, die Sie als nützlich bewerten. Die anderen lassen Sie bitte, wann immer Sie es schaffen, links liegen.
Darum:
Wenn sich Ihre Gedanken verselbstständigenden, dann steigen Sie möglichst schnell aus dem Denken aus. Je länger sich ein Gedankenkarussell dreht, desto schwieriger wird es, dem ein Ende zu machen.
- Wenn Sie keine Idee haben, wie das Aussteigen gelingen könnte, probieren Sie mal, anstatt auf die Gedanken sich auf Ihre Sinneswahrnehmungen zu konzentrieren. Das kann eine Atemübung sein oder eine körperliche Tätigkeit, auf die Sie sich konzentrieren (z.B. staubsaugen, kochen, Liegestütz, nähen, spazieren gehen). Sie ziehen Ihren Gedanken die Aufmerksamkeit ab, indem Sie diese voll und ganz auf das richten, was Sie gerade mit Ihren Sinnen erfahren.
- Vielleicht passt es aber auch besser für Sie, sich in solchen Momenten Stift und Papier zu schnappen oder das, was Ihnen durch den Kopf dröhnt, in die Tastatur Ihres Computers zu hämmern. Manchen Menschen hilft es, wenn sie die Gedanken, die durch den Kopf donnern, aufschreiben. Man kann das sogar ganz ohne Anspruch pur, ungefiltert tun - wie ein Aufnahmegerät. Das würde dann zum Beispiel so aussehen: „Ich kann mich gerade auf nichts anderes mehr konzentrieren. Es ist furchtbar. Ich weiß überhaupt nicht, wie ich das durchstehen soll. Das kann doch kein Mensch aushalten. Wie habe ich eigentlich schon schwierige Situationen geschafft? Oh man, mir fällt nichts ein. Was tut mir denn jetzt gut?! ....“ und so weiter. Durch das Aufschreiben können Sie Ihre Gedanken, Gefühle und Befindlichkeiten einfach mal für sich loswerden oder eben auch erfassen und dadurch sortieren.
Jetzt sind Sie dran: Was halten Sie von meinen Anregungen? Wollen Sie Ihr persönliches Geländer bauen, das Ihnen auf dem Weg durch die Krise Halt gibt und Spielregeln für Ihren Austausch über die Krise aufstellen? Ja, dann schreiben Sie sich Ihre Überlegungen zu jeder der drei Gruppen von „Gesprächspartnern“ gerne auch auf. Das macht es für einen nochmal klarer und verbindlicher.
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- Beziehungskrise
- Krise
- Reden bei Konflikten
Von Petra Nordhaus - Als Beziehungscoach & Paartherapeutin helfe ich Menschen, in Liebesdingen klarer zu sehen